Diamant auf einem Felsen

Die Anfänge der Diamantschleiferei

Es mag verwunderlich erscheinen, warum erst im späten Mittelalter, ca um 1350 nach Christus die ersten Schritte im Handwerk des Diamantschleifens gemacht wurden. Eigentlich ist die Datierung des Beginns der Diamantschleifkunst auf das 14. Jahrhundert sowieso falsch. In Indien wurden schon sehr viel früher Diamanten „geschliffen“. Doch handelte es sich dabei nicht um die heute übliche Facettierung und Formgebung eines Rohdiamanten. Während in Europa der Anreiz Diamanten zu schleifen aus dem Wunsch heraus geboren wurde neue Schmucksteine zu entdecken, war dieser Anreiz in Indien nicht vorhanden. indien war reich an edelsteinen. kashmir hatte die besten safire, burma die besten rubine und ganz indien war voll von edelsteinvorkommen aller art. all diese edelsteine konnte man bearbeiten und zu schmucksteinen schleifen. doch der diamant war etwas ganz anderes. er stand weit über all den edelsteinen. ihn zu einem schmuckstein zu schleifen, wäre eine degradierung gewesen. ausserdem war ein wohlgeformter rohdiamant-oktaeder war so viel mehr wert als jeder schmuckstein, dass niemand versucht hätte ihn in einen schmuckstein zu verwandeln. hinzu kam natürlich die tatsache, dass sich ein diamant nicht so einfach bearbeiten liess wie ein anderer edelstein, da er ja das härteste material überhaupt ist. der anreiz in indien einen rohdiamanten zu bearbeiten lag einzig und alleine darin, eventuelle fehler eines „beinahe perfekten“ steines zu beheben. wenn z.b. ein oktaeder auf einer oder mehreren seiner 8 facetten die üblichen dreiecks-oder fünfeck- relief-figuren zeigte.

Perfekter Oktaeder

Perfekter Oktaeder

Oktaeder mit Relief-Zeichnungen auf den Flächen

Oktaeder mit Relief-Zeichnungen auf den Flächen

In der alten indischen schrift ratnapariksha aus dem 5. jahrhundert steht: „der diamant behaftet selbst mit einem sehr kleinen, kaum warnehmbaren fehler, hat nur ein zehntel, oder noch weniger des wertes. der diamant, gross oder klein, der mehrere erkennbare fehler hat, hat nicht mehr als ein hundertstel des wertes“einen sichtbaren einschluss im inneren des steines konnte man natürlich nicht korigieren. aber eventuelle relief-figuren an der oberfläche des steines liessen sich schon leichter abschleifen.

das problem bestand nur darin, dass es kein härteres material gab als den diamanten. womit sollte man soche defekte also wegpolieren ? das einzige material dazu war natürlich wieder der diamant. da der wertzuwachs eines, selbst kleinen diamanten, so ungeheuerlich war, wenn es gelang eine unregelmässigkeit wegzupolieren, war der anreiz natürlich enorm. selbst wenn ein arbeiter zehn jahre dazu brauchte einen einkaräter zu polieren, bis eine einzige kleine unregelmässigkeit verschwand, so war dies schon ein gutes geschäft. und so wurden denn schon sehr früh diamanten mit diamanten poliert. dafür verwendete man irgendwann eine simple vorrichtung, welche bis ins letzte jahrhundert in der panna-gegend, in verwendung war. die panna-gegend ist die einzige gegend in der man noch bis heute rohdiamanten in indien findet.

Diamant-Schleifbrett

das diamant-schleif-brett ist ein einfaches instrument, meist kleiner als ein din A-4 blatt, bei dem ein holzarm einen diamanten auf einem anderen diamanten hin und her wetzt. wenn man lange genug den einen diamanten an dem anderen reibt, so schleifen sich die diamanten gegenseitig ab.

irgendwann ist dann bei dieser methode den diamantschleifern des alten indiens aufgefallen, dass ihre methode manchmal relativ schnell zum ziel führt und manchmal überhaupt nicht. mit etwas beobachtungsgabe fanden die inder dann irgendwann das grosse geheimnis heraus: der diamant ist in sich selbst unterschiedlich hart ! wenn man den oktaeder in einer bestimmten position einspannt, und den bearbeitenden stein ebenfalls in einer bestimmten position, kann man relativ geziehlt und effektiv den oktaeder bearbeiten. denn ein diamant ist, wenn er in einer „harten“ richtung eingesetzt wird, bis zu zehn mal härter als in einer „weichen“ richtung.

die weichen richtungen bei einem diamanten, sind auf der oktaeder- dreiecks-facette immer die richtung von einer spitze des dreiecks zur mitte der gegenüberliegenden seite.

ein diamant, und zwar jeder diamant, hat nur ein paar wenige schleifebenen, und in jeder schleifebene nur ein paar wenige schleifrichtungen. die schleifebenen sind:

a) die oktaeder-facette. also eine dreiecks-facette, welche eigentlich 8 mal beim oktaeder vorkommt. da jedoch zwei ebenen immer parallel sind, gibt es also nur 4 wirkliche schleifebenen. man nennt diese ebene die „dreipunkt-ebene“, da sie drei schleifrichtungen hat.

DIe Oktaeder-Facette

Die Oktaeder-Facette

b) die oktaeder-kanten. diese kanten kommen beim oktaeder 12 mal vor. jedoch auch hier sind zwei kanten immer parallel. deswegen gibt es insgesamt 6 schleifebenen durch die kanten. in diesen schleifebenen gibt es jeweils zwei schleifrichtungen, welche 90 grad zur kante verlaufen. man nennt deswegen diese ebenen die zweipunkt-ebenen.

Die Oktaeder-Kanten

Die OKtaeder-Kanten

c) die oktaeder-spitzen. man nennt sie auch die vier-punkt-ebenen, da es hier vier schleifrichtungen gibt. der oktaeder hat 6 spitzen. da jeweils zwei spitzen sich gegenüber ligen, hat der oktaeder also 3 sogenannte vier-punkt-schleifebenen.

Die Oktaeder-Spitzen

Die Oktaeder-Spitzen

jeder diamant, egal welche form er hat, hat die oktaeder-kristall-struktur. selbst wenn ein rohdiamant so aussieht wie ein häufchen rührei oder eine kartoffel, er hat die kristallstruktur eines oktaeders. und jeder rohdiamant, egal welche form er hat oder wie er aussieht hat 4 dreipunkt-scheifebenen, hat 6 zweipunkt-schleifebenen und hat 3 vierpunkt-schleifebenen. somit hat jeder diamant insgesamt 4 x 3 + 6 x 2 + 3 x 4 = 36 weiche schleifrichtungen. alle anderen ca 100.000 ( 360 x 360 ) richtungen sind hart. eine abweichung von ein paar grad von der eigentlichen schleifrichtung, bewirken schon, dass die härte so zunimmt, dass der diamant kaum noch schleifbar ist.

die tatsache, dass die erkenntnis von der in sich unterschiedlichen härte des diamanten, in europa erst im 14. jahrhundert bekannt wurde, liegt vermutlich daran, dass dieses wissen, wie kein anderes, als geheimnis gehütet wurde. ähnlich wie im mittelalterlichen venedig die kunst der spiegel-herstellung oder im alten agypten die kunst der glasherstellung als geheimnis gehütet wurde, war sicherlich auch das diamantschleifen eines der wohl-gehütetsten betreibsgeheimnisse. jedenfalls gibt es keinerlei schriftliche aufzeichnungen über die kunst des diamantschleifens im alten indien.

irgendwann, vermutlich im späten mittelalter, fing man dann in indien auch an diamanten zu schmucksteinen zu schleifen. Anfänglich wurden nur flache diamanten zu ovalen briolets oder zu sogenannten „diamant-rosen“ geschliffen.

in europa kam die kunde, dass man diamanten bearbeiten kann, erst im 14. jahrhundert aus indien. zu dieser zeit war zwar der diamant teurer als andere schmucksteine, doch nur deswegen, weil er in indien so teuer war, und ja immer nur aus indien kommen konnte. da ein rohdiamant für europäische verhältnisse sehr unscheinbar war, gab es auch kaum interesse solche steine für viel geld aus indien zu importieren. und so kam es, dass es in ganz europa nur ganz wenige rohdiamanten überhaupt gab. die allermeisten naturkundler, welche den diamanten in ihren aufzeichnungen erwähnten ( vermutlich inclusive plinius im alten rom ) hatten nie jemals einen diamanten gesehen. das zeigt sich auch aus der tatsache, dass fasst alle europäischen naturkundlichen aufzeichnungen über diamanten behaupteten, der diamant würde sich im blute eines ziegenbockes auflösen. wären tatsächlich diamanten zur verfügung gestanden, so hätte sich dieser aberglaube kaum eineinhalb jahrtausende selbst unter den naturwissenschaftlern halten können.

Diamant Rosen Skizzen

Diamant Rosen

die wenigen diamanten, die in europa überhaupt vorhanden waren, befanden sich im besitz von königen und wurden wegen ihres hohen wertes und ihrer seltenheit meist zu zeremoniellen oder rituellen zwecken verwendet.

Im römischen kaiserreich war der diamant zwar bekannt und hatte als wertvollstes gut auf erden eine prestigeträchtige stellung inne, doch wirklich verbreitet war er nicht. er wurde anscheinend als insignium der macht symbolisch einem nachfolger übergeben, wenn ein wichtiger posten übertragen wurde. so schreibt aelius spartianus im 4. jahrhundert: „während der zweiten expedition nach dazien machte er (traianus) ihn (hadrian) zum oberbefehlshaber der zweiten minervischen legion (dessen hauptlager befand sich im heutigen bonn) und nahm ihn mit sich. damals machten ihn viele herausragende taten berühmt. darum gab traianus den diamanten, den er von nerva empfangen hatte, und der ein zeichen für die nachfolgerschaft bildete, weiter.

in europa nahm die kunst, diamanten zu schleifen, ihren anfang vermutlich in einer der handwerklich fortgeschrittensten städten europas, in nürnberg. nürnberg war mit seinen handwerkszünften und dem forschungsdrang ihrer bürger den übrigen europäischen städten in vielem überlegen.

So wurde in nürnberg nicht nur die überall berühmten lebkuchen hergestellt, sondern auch z.b. weißblech oder bleistifte. historiker behaupten zwar oft, die kunst diamanten zu schleifen nahm ihren anfang in paris, bzw hätte sich in europa vornehmlich in paris entwickelt. dies ist aber nicht ganz richtig. die erste schriftliche erwähnung von dem schleifen von diamanten in europa stammt aus nürnberg. dort gab es z.b. schon in 1375 eine „zunft“ der diamantschleifer. zu diesem frühen datum liegen keinerlei schriftliche aufzeichnungen über diamantschleif-aktivitäten aus paris oder irgendeiner anderen europäischen stadt vor. mit der möglichkeit, rohdiamanten zu schmucksteinen zu verarbeiten, gewann das diamantschleifen eine völlig neue dimension. der prunksucht und dem prestigebedürfnis europäischer adelshäuser waren in der damaligen zeit fast keine grenzen gesetzt. und so war paris natürlich einer der gewinnträchtigsten orte, wo man die neuen produkte verkaufen konnte. so verwundert es nicht, dass die erste schriftliche aufzeichnung, die auf das diamantschleifen in paris hinweist, einen diamantschleifer mit namen „herman“ erwähnt. die aufzeichnung ist datiert auf 1407. offensichtlich handelte es sich um einen nürnberger diamantschleifer, der nach paris gezogen war und dort seine große karriere machte. bis dahin war das diamantschleifen immer noch eine kunst, welche ohne schleifscheibe stattfand. das aus indien kommende diamant-schleifbrett war inzwischen in nürnberg durch eine fortgeschrittenere technik ersetzt worden. man „imprägnierte“ eine tischplatte mit diamantpulver und rieb darüber den zu schleifenden diamanten. diese methode war aufwendig und langwierig, führte aber zum erfolg. vom prinzip her gibt es keinen unterschied zum heutigen verfahren. die in allen verschiedenen schleifrichtungen ausgestreuten diamantkristalle schleifen den in weicher richtung über die tischplatte scheuernden diamanten und erzeugen eine facette.

einen ganz entscheidenden durchbruch in der schleifkunst gelang dem flämischen diamantschleifer lodewyk van berquem aus brugge. van berquem entdeckte, dass man diamanten mit ihrem eigenen diamantstaub schleifen konnte und entwickelte die diamantschleifscheibe. und seit dieser zeit, seit der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts, hat sich an der schleiftechnik nicht mehr viel geändert. was zu einem späteren zeitpunkt hinzu kam, war das sägen der diamanten und das reiben der rundiste. aber die technik des Schleifens oder Facettierens der diamanten, ist heute noch genau die gleiche wie ende des 15. Jahrhunderts.

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